
Unternehmen internationalisieren, gehen Partnerschaften und Allianzen ein. Menschen arbeiten vermehrt in abteilungs-, firmen- und teils zugleich länderübergreifenden Teams zusammen. Abseits formaler Strukturen. Führen kann man sie nur ohne Macht. Dabei gewinnt die Persönlichkeit des Führenden gegenüber seiner Fachkompetenz extrem an Bedeutung.
Influencing Others Without Authority, abgekürzt IOWA, ist ein Führungsansatz aus Amerika. Er beschäftigt sich mit der Frage, wie man ohne Weisungs- und Kontrollbefugnis ein Team so beeinflussen kann, dass es Dinge im Sinne eines Projektes bzw. eines Unternehmens voranbringt. Diese Fähigkeit des Führens ohne Macht ist immer dann wichtig, wenn Mitarbeiter, die formal in eine Organisationseinheit eingebunden sind, Mitarbeiter anderer Organisationseinheiten, anderer Unternehmen oder virtuelle Teams führen müssen, obwohl sie nicht deren Vorgesetzte sind. Das ist oftmals im Rahmen von Projekten der Fall und alltägliche Herausforderung in matrixähnlichen Organisationsstrukturen. Geschäftsfeldverantwortliche, Produktmanager oder Business Development Manager in internationalen Vertriebsorganisationen kennen das Problem.
Das in deutschen Unternehmen, trotz erster gegenläufiger Ansätze, nach wie vor beliebte „Da geht’s lang!“ versagt in solchen Konstellationen. Statt von oben nach unten gilt es lateral, auf Augenhöhe zu führen. Das kann nicht jeder. Wer Menschen Orientierung geben will, sie davon überzeugen und dafür gewinnen will, gemeinsam in eine bestimmte Richtung zu gehen, braucht mehr noch als Fachkompetenz und kommunikative Fähigkeiten: die richtige Persönlichkeit. Er muss in der Lage sein, anderen Menschen und Menschen anderer Kulturen mit Wertschätzung zu begegnen, auf sie einzugehen, sie einzubeziehen, Vertrauen aufzubauen, Wissen zu teilen, andere zu fördern und ihnen auch mal uneigennützig helfend und beratend zur Seite zu stehen. Das lässt sich nicht antrainieren, das geht nur authentisch, wenn man so ist.
Die These: Die Persönlichkeit des Führenden wirkt mit mindestens 50 Prozent auf seinen Erfolg. Fachliche und kommunikative Kompetenz, wie zum Beispiel die Fähigkeit zum Ansprechen und Lösen von Konflikten in heterogenen bzw. multikulturellen Teams, schlagen mit jeweils 25 Prozent zu Buche. Die beiden letztgenannten Bereiche sind Lernfelder. Persönlichkeit ist dagegen ein Entwicklungsfeld: nur vorhandene Eigenschaften lassen sich weiterentwickeln.
Für Personalentscheider heißt das: Führen ohne Macht braucht andere Führungskräfte. Nicht immer sind die fachlich erfahrenen Mitarbeiter die bessere Wahl, sie müssen die richtige Persönlichkeit mitbringen. Bei Personalauswahl und Rekrutierung sollten Anforderungs- und Suchprofile angepasst werden. Bei der Personalentwicklung gewinnt das Coaching gegenüber dem Training an Bedeutung.
Doch Achtung: Führungskräfte, die ohne Macht auskommen, sind keine Halbgötter, die kraft ihres Charismas andere manipulieren. In Teams ohne formale Struktur geht es nicht darum, über Menschen zu verfügen, sondern mit ihnen Ziele zu erreichen. Dazu gehört die Bereitschaft des Führenden zuzuhören, dazuzulernen, sich im Austausch mit der Gruppe laufend weiterzuentwickeln. Einen entsprechend hohen Stellenwert haben gegenseitige Feedbackgespräche: In ihnen stehen Mitarbeiter- und Führungsleistung gleichermaßen zur Diskussion.
Grafik: Dannert-Weing
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